Es war einmal vor langer Zeit, als Belp noch ein kleines, unscheinbares Dorf war, das inmitten der sanften Hügel des Bern-Mittellands lag. Die Menschen lebten in Frieden und Eintracht, doch eine unheimliche Legende überschattete ihr Leben. Es hieß, dass tief in den Wäldern jenseits des Gürbetal ein Drache hauste, ein furchterregendes Wesen, das Feuer spucken und die Erde erbeben lassen konnte.
Der Drache war ein uraltes Geschöpf, das schon seit Jahrhunderten in einer verborgenen Höhle unter dem Belpberg lebte. Die Dorfbewohner erzählten sich, dass der Drache einst von einem mächtigen Zauberer verbannt worden war, nachdem er das Land in Angst und Schrecken versetzt hatte. Doch der Bann war nicht ewig, und es hieß, dass der Drache eines Tages wieder erwachen würde, um seine Rache zu vollziehen.
Eines Nachts, als der Vollmond hell am Himmel stand, wurde das Dorf von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert. Die Häuser wankten, und die Menschen stürzten in Panik auf die Straßen. Aus der Ferne hörte man ein tiefes, grollendes Brüllen, das die Herzen der Dorfbewohner mit Furcht erfüllte. Der Drache war erwacht.
Der Dorfälteste, ein weiser Mann namens Jakob, rief die Dorfbewohner zusammen. “Wir müssen etwas unternehmen, bevor der Drache unser Dorf zerstört,” sagte er mit ernster Miene. “Es gibt nur einen Weg, den Drachen zu besänftigen. Wir müssen ihm ein Opfer darbringen.”
Die Menschen waren entsetzt. Ein Opfer? Wer sollte es sein? Doch Jakob erklärte, dass nur ein reines Herz den Drachen besänftigen könne. Die Wahl fiel auf Anna, eine junge Frau, die für ihre Güte und Reinheit bekannt war. Trotz der Angst, die sie erfüllte, erklärte sich Anna bereit, das Opfer zu bringen, um ihr Dorf zu retten.
Am nächsten Morgen machte sich Anna auf den Weg zum Belpberg. Die Dorfbewohner begleiteten sie bis zum Rand des Waldes, wo sie sich unter Tränen verabschiedeten. Anna schritt tapfer weiter, bis sie schließlich die Höhle des Drachen erreichte. Das Brüllen des Drachen hallte durch die Höhle, und Anna spürte, wie ihr Herz vor Angst raste.
Doch sie wusste, dass sie stark sein musste. Mit zitternden Händen zog sie das Amulett hervor, das ihr Jakob gegeben hatte. Es war ein uraltes Artefakt, das der Zauberer einst benutzt hatte, um den Drachen zu bannen. Anna hielt das Amulett hoch und sprach die Worte, die Jakob ihr beigebracht hatte.
Ein helles Licht erfüllte die Höhle, und der Drache erschien vor ihr. Seine Augen glühten wie Feuer, und sein Atem war heiß wie die Hölle. Doch als er Anna sah, hielt er inne. Das Licht des Amuletts blendete ihn, und er spürte die Reinheit ihres Herzens. Langsam senkte der Drache seinen Kopf und legte sich vor Anna nieder.
Mit zitternder Stimme sprach Anna: “Oh mächtiger Drache, ich bitte dich, verschone mein Dorf. Wir haben dir nichts Böses getan.” Der Drache sah sie lange an, und dann geschah etwas Erstaunliches. Seine Augen, die zuvor voller Zorn und Hass gewesen waren, wurden weich. Er erkannte die Güte in Annas Herz und beschloss, das Dorf zu verschonen.
Der Drache erhob sich und flog aus der Höhle, hoch in den Himmel. Die Dorfbewohner, die in sicherer Entfernung gewartet hatten, sahen ihn davonfliegen und jubelten vor Freude. Anna kehrte als Heldin ins Dorf zurück, und die Menschen feierten ihre Tapferkeit.
Von jenem Tag an lebten die Menschen von Belp in Frieden, und die Legende vom Drachen wurde zu einer Geschichte, die man sich am Lagerfeuer erzählte. Anna wurde zur Heldin des Dorfes, und ihr Mut und ihre Güte wurden für immer in den Herzen der Menschen verewigt. Der Drache aber wurde nie wieder gesehen, und seine Höhle blieb für immer verschlossen, ein stilles Zeugnis der alten Legenden und der Macht eines reinen Herzens.