In den dunklen Wäldern von Waltenschwil, Muri, Aargau, rankt sich seit Jahrhunderten eine düstere Legende. Die Einheimischen erzählen sich, dass es in diesen Wäldern nicht mit rechten Dingen zugeht. Viele wagen es nicht, bei Einbruch der Dunkelheit die dichten Baumreihen zu betreten, aus Angst vor dem, was dort lauern könnte.
Es war vor vielen Jahren, als ein junger Mann namens Jakob in Waltenschwil lebte. Jakob war ein mutiger und neugieriger Bursche, der die Geschichten über den verfluchten Wald stets als Ammenmärchen abtat. Eines Abends, als der Mond voll und die Nacht klar war, entschied er sich, den Wald zu betreten und das Geheimnis ein für alle Mal zu lüften.
Mit einer Laterne in der Hand und einem Dolch am Gürtel machte sich Jakob auf den Weg. Die ersten Schritte waren leicht und der Wald schien friedlich. Doch je tiefer er in das Dickicht vordrang, desto unheimlicher wurde die Atmosphäre. Die Bäume schienen sich zu neigen und flüsterten im Wind, als ob sie ihn warnen wollten.
Plötzlich hörte Jakob ein leises Weinen. Es klang wie das Schluchzen eines kleinen Mädchens. Trotz seines Unbehagens folgte er dem Geräusch, entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Nach einigen Minuten stieß er auf eine Lichtung, in deren Mitte ein alter, verfallener Brunnen stand. Neben dem Brunnen saß ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid, das verzweifelt weinte.
Jakob näherte sich vorsichtig und fragte: “Warum weinst du, kleines Mädchen?” Das Mädchen hob den Kopf und ihre Augen waren leer und ausdruckslos. “Ich bin verloren”, sagte sie mit einer Stimme, die wie ein Echo klang. “Kannst du mir helfen?”
Jakob versprach, ihr zu helfen, und nahm ihre kleine Hand. Doch kaum hatte er sie berührt, spürte er eine eisige Kälte, die durch seinen Körper fuhr. Das Mädchen verwandelte sich vor seinen Augen in eine alte, hässliche Hexe mit glühenden Augen. “Du Narr!”, zischte sie. “Du bist in meine Falle getappt!”
Mit einem bösen Lachen verschwand die Hexe und Jakob fand sich allein auf der Lichtung wieder. Der Brunnen begann zu blubbern und aus der Tiefe stieg ein unheilvolles Leuchten empor. Jakob wollte fliehen, doch seine Beine waren wie gelähmt. Eine dunkle Gestalt erhob sich aus dem Brunnen, ein Schattenwesen mit roten Augen und langen, knochigen Fingern.
“Du hast den Fluch gebrochen”, flüsterte das Wesen. “Doch nun wirst du den Preis zahlen.” Mit diesen Worten stürzte sich der Schatten auf Jakob und verschlang ihn in einem Wirbel aus Dunkelheit und Schrecken.
Am nächsten Morgen fand man Jakobs Laterne und Dolch am Rand des Waldes, doch von ihm selbst fehlte jede Spur. Seit diesem Tag wagte es niemand mehr, den verfluchten Wald von Waltenschwil zu betreten. Die Einheimischen erzählen sich, dass Jakobs Geist noch immer durch die Bäume wandert, auf der Suche nach Erlösung.
Und so bleibt die Legende des verfluchten Waldes von Waltenschwil eine warnende Geschichte für alle, die glauben, dass Mut und Neugierde ausreichen, um die Geheimnisse der Dunkelheit zu ergründen. Denn manchmal ist es besser, die alten Geschichten zu respektieren und die Warnungen der Vorfahren ernst zu nehmen.