Es war einmal ein kleines Dorf namens Cugy, eingebettet in die sanften Hügel von La Broye im Kanton Freiburg. Die Bewohner lebten ein einfaches, aber zufriedenes Leben, geprägt von harter Arbeit und tiefem Glauben. Doch es gab eine alte Legende, die sich wie ein Schatten über das Dorf legte und sowohl Furcht als auch Faszination in den Herzen der Menschen weckte.
Die Legende erzählte von einem verborgenen Brunnen, tief im Wald von Cugy. Es hieß, der Brunnen sei nicht nur eine Quelle von klarem Wasser, sondern auch ein Tor zu einer anderen Welt. Einem Reich, das von geheimnisvollen Wesen bewohnt wurde, die den Menschen sowohl Segen als auch Fluch bringen konnten.
Vor vielen Jahren, als das Dorf noch jünger war, lebte dort ein Mann namens Henri. Henri war ein neugieriger und mutiger Mann, der sich nicht vor den Geschichten fürchtete, die die Alten erzählten. Eines Abends, als der Mond hoch am Himmel stand und die Sterne funkelten, beschloss Henri, den verborgenen Brunnen zu suchen.
Mit einer Laterne in der Hand und einem festen Entschluss im Herzen machte er sich auf den Weg in den Wald. Der Pfad war schmal und von dichtem Gebüsch überwuchert. Die Bäume schienen sich über ihm zu neigen, als wollten sie ihn aufhalten. Doch Henri schritt unbeirrt voran, bis er schließlich an eine kleine Lichtung kam. In der Mitte der Lichtung stand ein alter, moosbewachsener Brunnen.
Henri trat näher und blickte in die dunkle Tiefe des Brunnens. Plötzlich hörte er ein leises Flüstern, das aus dem Brunnen zu kommen schien. Es war eine sanfte, melodische Stimme, die ihn zu rufen schien. Ohne zu zögern ließ Henri den Eimer des Brunnens hinab und zog ihn wieder herauf. Doch anstatt Wasser fand er im Eimer eine kleine, goldene Münze.
Verwundert nahm Henri die Münze und betrachtete sie im Licht seiner Laterne. Sie war mit seltsamen Symbolen und einer Inschrift verziert, die er nicht entziffern konnte. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, hörte er plötzlich ein Rascheln im Gebüsch. Er drehte sich um und sah eine Gestalt, die aus den Schatten trat.
Es war eine wunderschöne Frau, gekleidet in ein Kleid aus schimmerndem Stoff, das im Mondlicht glitzerte. Ihre Augen leuchteten wie Sterne, und ihr Lächeln war sowohl freundlich als auch geheimnisvoll. “Du hast den Brunnen gefunden,” sagte sie mit einer Stimme, die wie Musik klang. “Und du hast die Münze erhoben. Nun stehst du vor einer Wahl.”
Henri war sprachlos. Er wusste nicht, ob er träumte oder wach war. Doch die Frau fuhr fort: “Diese Münze ist ein Geschenk, aber auch eine Prüfung. Sie kann dir großen Reichtum bringen, aber nur, wenn du bereit bist, etwas Wertvolles zu opfern. Was wirst du wählen?”
Henri dachte nach. Er war ein armer Mann, und der Gedanke an Reichtum war verlockend. Doch er wusste auch, dass alles seinen Preis hatte. Schließlich sprach er: “Ich wähle den Reichtum, aber ich werde nichts opfern, was mir lieb und teuer ist. Ich werde hart arbeiten und meinen Verstand und meine Fähigkeiten nutzen, um das Beste aus diesem Geschenk zu machen.”
Die Frau lächelte und nickte. “Du hast weise gewählt,” sagte sie. “Der wahre Reichtum liegt nicht in Gold und Silber, sondern in der Weisheit und dem Mut, die du in deinem Herzen trägst. Geh nun und nutze dieses Geschenk weise.”
Mit diesen Worten verschwand die Frau, und Henri stand allein auf der Lichtung. Er blickte noch einmal auf die goldene Münze und steckte sie dann in seine Tasche. Als er zurück ins Dorf ging, fühlte er sich verändert. Er wusste, dass er eine wichtige Lektion gelernt hatte.
In den folgenden Jahren arbeitete Henri hart und nutzte seine neu gewonnene Weisheit, um das Leben im Dorf zu verbessern. Er half seinen Nachbarn, gründete neue Unternehmen und sorgte dafür, dass niemand in Cugy hungern musste. Die goldene Münze trug er immer bei sich, als Erinnerung an die Wahl, die er getroffen hatte.
Die Legende des verborgenen Brunnens von Cugy wurde von Generation zu Generation weitergegeben, und die Menschen erzählten sich von Henris Mut und Weisheit. Der Brunnen selbst blieb ein geheimnisvoller Ort, den nur wenige wagten zu suchen. Doch diejenigen, die es taten, wussten, dass sie vor einer wichtigen Wahl standen – einer Wahl, die ihr Leben für immer verändern konnte.