In den malerischen Hügeln des Berner Oberlands, am Ufer des Thunersees, liegt das idyllische Dorf Oberhofen. Hier, wo das Wasser sanft an die Ufer schwappt und die Alpen majestätisch in den Himmel ragen, erzählt man sich seit Jahrhunderten die Geschichte des Schwarzen Ritters von Oberhofen.
Es war einmal vor vielen Jahrhunderten, als das Schloss Oberhofen noch neu und prächtig war. Der damalige Burgherr, Graf Heinrich von Oberhofen, war ein strenger, aber gerechter Mann. Er hatte eine Tochter, die wunderschöne und kluge Adelheid. Viele Ritter und Edelleute aus der Umgebung warben um ihre Hand, doch Adelheids Herz gehörte dem jungen, tapferen Ritter Konrad von Thun.
Konrad und Adelheid waren seit ihrer Kindheit unzertrennlich. Doch Graf Heinrich hatte andere Pläne für seine Tochter. Er wollte sie mit dem reichen und mächtigen Ritter Ulrich von Burgdorf verheiraten, um seine eigenen Ländereien und Macht zu vergrößern. Ulrich war ein düsterer und grausamer Mann, der in der ganzen Region gefürchtet wurde. Seine schwarze Rüstung und sein finsteres Wesen brachten ihm den Beinamen „der Schwarze Ritter“ ein.
Als Adelheid von den Plänen ihres Vaters erfuhr, war sie verzweifelt. Sie liebte Konrad und konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. In einer mondlosen Nacht trafen sich die beiden Liebenden heimlich am Ufer des Thunersees. Sie schmiedeten einen Plan, um gemeinsam zu fliehen und ein neues Leben fernab von Oberhofen zu beginnen.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihnen. Ulrich hatte von dem Treffen Wind bekommen und lauerte den beiden auf. Mit seiner schwarzen Rüstung und seinem finsteren Blick trat er aus den Schatten und stellte sich den Liebenden in den Weg. Ein erbitterter Kampf entbrannte zwischen Konrad und Ulrich. Die Schwerter klirrten, und Funken sprühten in der dunklen Nacht.
Adelheid stand verzweifelt am Ufer und sah zu, wie die beiden Männer um ihr Leben kämpften. Schließlich gelang es Konrad, Ulrich zu entwaffnen und ihn niederzuschlagen. Doch bevor er den finalen Schlag ausführen konnte, stürzte sich Ulrich mit einem letzten Kraftakt auf Konrad und zog ihn mit sich in die Tiefe des Thunersees. Beide Männer verschwanden spurlos im dunklen Wasser.
Adelheid war am Boden zerstört. Sie kniete am Ufer und weinte bittere Tränen. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an die Wassernymphen des Thunersees und flehte um Hilfe. Die Nymphen, gerührt von ihrem Schmerz, versprachen ihr, dass Konrad eines Tages zurückkehren würde, um sie zu erlösen.
Seit jener schicksalhaften Nacht erzählt man sich in Oberhofen, dass der Schwarze Ritter immer noch im Thunersee ruht. In mondlosen Nächten soll man ihn sehen können, wie er in seiner schwarzen Rüstung aus den Tiefen des Sees auftaucht und am Ufer entlangschreitet, immer auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe.
Die Einheimischen erzählen, dass Adelheid nie über den Verlust von Konrad hinwegkam. Sie blieb unverheiratet und verbrachte den Rest ihres Lebens in Trauer. Doch ihr Geist soll noch immer im Schloss Oberhofen wandeln, auf der Suche nach ihrem geliebten Konrad.
Und so bleibt die Legende des Schwarzen Ritters von Oberhofen lebendig. In stillen Nächten, wenn der Mond sich hinter Wolken verbirgt und der Thunersee in tiefem Schwarz daliegt, erzittern die Herzen der Dorfbewohner. Denn dann, so sagt man, erhebt sich der Schwarze Ritter aus den Fluten und wandert am Ufer entlang, gefangen zwischen Leben und Tod, auf ewig verflucht durch seine eigenen Taten.