In den nebelverhangenen Wäldern und sanften Hügeln rund um Höri, einem kleinen Dorf nahe Bülach im Kanton Zürich, erzählt man sich seit Jahrhunderten die düstere Legende des Schwarzen Hundes. Diese Geschichte hat Generationen von Dorfbewohnern in ihren Bann gezogen und wird noch heute an langen Winterabenden am Kaminfeuer weitergegeben.
Es war vor vielen, vielen Jahren, als ein wohlhabender Ritter namens Heinrich von Höri in der Gegend lebte. Heinrich war bekannt für seine Gier und Rücksichtslosigkeit. Er besaß große Ländereien und viele Bauern arbeiteten hart auf seinen Feldern, doch er behandelte sie schlecht und verlangte hohe Abgaben. Eines Tages, so erzählt man sich, besuchte der Ritter einen alten, weisen Mann, der in einer kleinen Hütte am Rande des Waldes lebte. Heinrich hoffte, von ihm ein Geheimnis zu erfahren, das ihm noch mehr Reichtum und Macht verschaffen würde.
Der alte Mann, der als weiser und gütiger Heiler bekannt war, warnte Heinrich vor den Gefahren der Gier und der Ungerechtigkeit. Doch Heinrich lachte nur und verspottete den Alten. In seiner Verblendung und Arroganz verlangte er von dem Weisen, ihm das Geheimnis zu verraten, oder er würde dessen Hütte niederbrennen. Der alte Mann, tief enttäuscht von Heinrichs Bosheit, sprach einen Fluch aus: “Eines Tages wirst du für deine Taten bezahlen, Heinrich von Höri. Und wenn dieser Tag kommt, wirst du in Gestalt eines schwarzen Hundes umherirren, bis deine Seele Erlösung findet.”
Heinrich lachte nur und ritt davon, überzeugt, dass die Worte des Alten bedeutungslos seien. Doch die Jahre vergingen, und Heinrichs Grausamkeit nahm kein Ende. Er wurde immer reicher, doch auch immer einsamer. Die Bauern mieden ihn, und selbst seine engsten Vertrauten wandten sich von ihm ab.
Eines kalten Winterabends, als Heinrich allein in seinem großen Anwesen saß, klopfte es plötzlich an die Tür. Verwundert öffnete er und sah einen großen, schwarzen Hund vor sich stehen. Der Hund starrte ihn mit glühenden Augen an, und Heinrich spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. Ohne Vorwarnung sprang der Hund auf ihn zu und biss ihm in die Hand. Heinrich schrie vor Schmerz und versuchte, das Tier abzuschütteln, doch es war zu spät. Im selben Moment, als das Blut aus seiner Hand tropfte, verwandelte er sich selbst in einen schwarzen Hund.
Von diesem Tag an sah man Heinrich nie wieder in menschlicher Gestalt. Stattdessen berichteten die Dorfbewohner von einem schwarzen Hund, der nachts durch die Wälder streifte und unheimliche Geräusche von sich gab. Man erzählte sich, dass der Hund die Seele des verfluchten Ritters sei, der nun für seine Taten büßen müsse.
Jahrzehnte vergingen, und die Geschichte des Schwarzen Hundes von Höri wurde zur Legende. Viele behaupteten, den Hund in mondlosen Nächten gesehen zu haben, wie er still durch die Dörfer schlich, immer auf der Suche nach Erlösung. Einige sagten, dass der Hund manchmal an den Türen der Bauernhäuser kratzte, als wolle er um Vergebung bitten. Doch niemand wagte es, ihm zu nahe zu kommen.
Es heißt, dass der Fluch des alten Weisen erst dann gebrochen werden könne, wenn Heinrichs Seele wahre Reue zeigt und die Nachkommen der von ihm gequälten Bauern ihm vergeben. Doch da die Geschichte über die Jahre hinweg immer weiter erzählt und ausgeschmückt wurde, weiß niemand mehr genau, wer die Nachkommen sind oder wie man den Fluch brechen könnte.
Und so bleibt der Schwarze Hund von Höri ein ewiges Mahnmal für die Folgen von Gier und Ungerechtigkeit, eine düstere Erinnerung daran, dass selbst die Mächtigsten nicht ungestraft bleiben. Noch heute, wenn der Wind durch die Bäume heult und der Mond hinter dunklen Wolken verborgen ist, hört man manchmal das ferne Heulen eines Hundes. Die Alten im Dorf sagen dann leise: “Es ist Heinrich von Höri, der immer noch auf Erlösung wartet.”