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Die Legende des Flammengeistes von Langnau

Es war einmal, vor vielen Jahrhunderten, als Langnau noch ein kleineres Dorf war, umgeben von tiefen, unerforschten Wäldern. In diesen Wäldern lebte ein geheimnisvoller Geist, der als der Flammengeist bekannt war. Man sagte, er sei ein Wesen aus reinem Feuer, das in der Dunkelheit der Nacht erschien und mit seinem leuchtenden Schein die Bäume zum Tanzen brachte.

Der Flammengeist war jedoch kein bösartiges Wesen. Vielmehr war er ein Wächter der Natur, der über die Wälder wachte und sicherstellte, dass die Menschen das Gleichgewicht der Natur respektierten. Die Dorfbewohner hatten gelernt, mit ihm in Harmonie zu leben, und so erzählte man sich, dass der Geist denjenigen half, die seine Wälder mit Respekt behandelten.

Eines kalten Herbstes jedoch, als die Nächte länger und die Tage kürzer wurden, kam ein Fremder nach Langnau. Er war ein Holzfäller aus einem fernen Land, der von den reichen Wäldern des Emmentals gehört hatte und sich erhoffte, hier sein Glück zu finden. Ohne die Warnungen der Dorfbewohner zu beachten, begann er, die Bäume in großem Umfang zu fällen, um das Holz zu verkaufen.

Die Dorfbewohner waren besorgt und versuchten, den Mann zu warnen. Sie erzählten ihm von dem Flammengeist und davon, wie wichtig es sei, die Wälder zu respektieren. Doch der Holzfäller lachte nur und sagte, er glaube nicht an Märchen und Geister.

In der Nacht, als der Vollmond den Himmel erleuchtete, erschien der Flammengeist. Sein Leuchten war so hell, dass es die ganze Umgebung in ein warmes, goldenes Licht tauchte. Der Geist schwebte über dem Wald, und sein Blick fiel auf die Lichtung, wo der Holzfäller seine Arbeit verrichtet hatte. Mit einem tiefen Seufzen, das wie das Rauschen des Windes klang, näherte sich der Geist dem Lager des Holzfällers.

Der Holzfäller, der das Licht bemerkte, trat aus seiner Hütte und sah den Geist zum ersten Mal. Er war fasziniert und zugleich erschrocken von der majestätischen Erscheinung. Der Flammengeist sprach mit einer Stimme, die wie das Knistern eines Feuers klang: „Fremder, du hast die Wälder verletzt, die ich beschütze. Warum hörtest du nicht auf die Warnungen der Menschen?“

Der Holzfäller, nun voller Ehrfurcht und Reue, fiel auf die Knie und bat um Vergebung. Er erklärte, dass er nur seinen Lebensunterhalt verdienen wollte und nicht wusste, welchen Schaden er anrichtete. Der Flammengeist, der das Herz des Mannes sah, erkannte die Ehrlichkeit in seinen Worten.

„Ich werde dir vergeben“, sagte der Geist, „aber du musst das Gleichgewicht wiederherstellen. Für jeden Baum, den du gefällt hast, musst du zwei neue pflanzen und dich um sie kümmern, bis sie stark genug sind, um alleine zu wachsen.“

Der Holzfäller versprach, dies zu tun, und von diesem Tag an arbeitete er unermüdlich, um die Wälder wieder aufzuforsten. Die Dorfbewohner halfen ihm, und gemeinsam lernten sie, die Natur zu schätzen und zu respektieren. Der Flammengeist, zufrieden mit den Bemühungen der Menschen, zeigte sich fortan nur noch selten, doch sein Licht blieb als Erinnerung an die Lektion, die Langnau gelernt hatte.

Und so wurde die Legende des Flammengeistes von Langnau zu einer Mahnung für alle Generationen, die folgten, die Natur zu respektieren und in Harmonie mit ihr zu leben. Bis heute erzählen die Alten des Dorfes die Geschichte an den langen Winterabenden, und die Kinder lauschen mit großen Augen, während das Feuer im Kamin knistert und die Schatten an den Wänden tanzen.