Sagen aus der Schweiz Sagen Welt

Die Legende der Flüsternden Wälder von Schwende-Rüte

In den sanften Hügeln und dichten Wäldern von Schwende-Rüte, einem malerischen Ort im Herzen von Appenzell Innerrhoden, rankt sich eine alte Legende, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Diese Geschichte erzählt von den flüsternden Wäldern, die einst die Heimat einer geheimnisvollen und weisen Frau namens Annelies waren.

Annelies war eine Heilkundige, bekannt für ihre tiefen Kenntnisse der Natur und ihre Fähigkeit, mit den Geistern der Wälder zu kommunizieren. Die Dorfbewohner suchten oft ihren Rat, wenn sie krank waren oder wenn ihre Ernten bedroht wurden. Annelies lebte in einer kleinen Hütte tief im Wald, umgeben von einer Aura des Geheimnisvollen, die sowohl Respekt als auch eine gewisse Furcht hervorrief.

Eines Abends, als die Sonne hinter den Bergen verschwand und die Schatten der Bäume länger wurden, hörte Annelies ein sanftes Flüstern, das durch die Äste der Bäume zu kommen schien. Neugierig und unerschrocken folgte sie den Stimmen, die sie tiefer in den Wald führten, bis sie zu einer kleinen Lichtung kam, wo das Flüstern am lautesten war.

In der Mitte der Lichtung stand ein uralter Baum, dessen Äste sich wie schützende Arme über den Boden erstreckten. Annelies legte ihre Hand auf die raue Rinde und schloss die Augen. Sofort fühlte sie eine Verbindung zu den Geistern des Waldes, die ihr ihre Sorgen anvertrauten. Sie sprachen von einer nahenden Gefahr, die das Gleichgewicht der Natur bedrohte – einer Gruppe von Fremden, die vorhatten, den Wald zu roden, um Platz für Weideflächen zu schaffen.

Bestürzt über diese Nachricht, kehrte Annelies ins Dorf zurück und versuchte, die Dorfbewohner zu warnen. Doch viele von ihnen waren skeptisch und glaubten, dass die Flüstern der Wälder nur alte Geschichten und Aberglauben seien. Nur wenige hörten auf ihre Warnungen, und die Fremden begannen bald mit ihrer Arbeit.

In den folgenden Tagen verdunkelte sich der Himmel über Schwende-Rüte, und ein unnatürlicher Nebel legte sich über das Land. Die Tiere des Waldes wurden unruhig, und die Dorfbewohner begannen, seltsame Geräusche in der Nacht zu hören – ein unaufhörliches Flüstern, das sie nicht ignorieren konnten. Diejenigen, die Annelies’ Warnungen in den Wind geschlagen hatten, begannen, die Geister der Wälder zu fürchten.

In ihrer Verzweiflung wandten sich die Dorfbewohner erneut an Annelies, die sie anflehten, den Zorn der Geister zu besänftigen. Annelies, die die Trauer der Wälder spürte, wusste, dass sie handeln musste, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Sie kehrte zur Lichtung zurück und bat die Geister um Vergebung und Hilfe.

In dieser Nacht erhoben sich die Winde, und ein Sturm zog über das Land, der die Arbeiten der Fremden zunichtemachte. Die Bäume, die bereits gefällt worden waren, wurden von den Wurzeln wieder in die Erde gezogen, als ob der Wald selbst sie zurückforderte. Der Nebel verzog sich, und die Dorfbewohner verstanden, dass sie die Warnungen der Wälder nicht ignorieren konnten.

Dank Annelies’ Vermittlung und den flüsternden Geistern des Waldes wurde Schwende-Rüte verschont, und die Dorfbewohner lernten, die Natur zu respektieren und zu schützen. Annelies blieb bis zu ihrem Lebensende eine Hüterin der Wälder, und die Menschen von Schwende-Rüte erinnerten sich an die Lektionen, die sie gelehrt hatte.

So bleibt die Geschichte von Annelies und den flüsternden Wäldern ein fester Bestandteil des kulturellen Erbes von Schwende-Rüte, eine Mahnung und ein Versprechen, die Verbindung zur Natur zu bewahren und zu ehren.