In den sanften Hügeln und weiten Feldern von Zihlschlacht-Sitterdorf, im Kanton Thurgau, erzählt man sich seit Generationen eine geheimnisvolle Sage. Diese Geschichte handelt von einer alten Mühle, die einst an den Ufern der Sitter stand. Die Mühle war bekannt für ihr unermüdliches Mahlen und das kontinuierliche Rauschen des Wassers, das die Mühlräder antrieb. Doch es war nicht nur das Rauschen des Wassers, das die Mühle berühmt machte, sondern die seltsamen Flüstern, die man in den stillen Nächten hören konnte.
Es war vor vielen Jahren, als die Mühle noch in Betrieb war. Der Müller, ein gewitzter und fleißiger Mann namens Jakob, lebte dort mit seiner Tochter Lena. Lena war eine junge Frau von außergewöhnlicher Schönheit und Sanftmut, und viele junge Männer aus dem Dorf warben um ihre Gunst. Doch Lena hatte ihr Herz an einen einfachen, aber ehrlichen Bauernjungen namens Martin verloren. Die beiden trafen sich oft heimlich an der Sitter, wo sie von einer gemeinsamen Zukunft träumten.
Eines Abends, als der Vollmond die Landschaft in silbernes Licht tauchte, hörte Lena ein leises Flüstern, während sie an der Mühle vorbeiging. Zuerst dachte sie, es sei der Wind, der durch die Bäume strich, doch die Stimmen wurden lauter und klarer. Sie schienen ihren Namen zu rufen, und Lena hielt inne, um zu lauschen. “Lena… Lena… folge uns…”, hörte sie die Stimmen wispern.
Neugierig und ein wenig verängstigt folgte Lena dem Flüstern, das sie zu einem versteckten Pfad hinter der Mühle führte. Der Pfad war von dichten Büschen und alten Bäumen gesäumt, und Lena spürte, wie das Flüstern sie tiefer in den Wald lockte. Schließlich erreichte sie eine Lichtung, auf der ein uralter Steinring stand. In der Mitte des Rings schimmerte ein kleiner Teich im Mondlicht, und Lena konnte die Flüstern nun deutlich hören.
Die Stimmen erzählten ihr von einem alten Geheimnis, das in der Mühle verborgen war. Ein Schatz, der von den Vorfahren des Müllers vor langer Zeit versteckt worden war, um ihn vor den Plünderungen der Kriege zu schützen. Der Schatz sollte nur von jemandem gefunden werden, der reinen Herzens und voller Liebe war. Lena wusste, dass sie die Auserwählte war, und die Stimmen führten sie zurück zur Mühle.
Am nächsten Morgen erzählte Lena ihrem Vater von ihrem Erlebnis. Jakob, der die Geschichten über den Schatz kannte, war skeptisch, doch die Entschlossenheit in Lenas Augen überzeugte ihn. Gemeinsam begannen sie, die Mühle zu durchsuchen. Sie fanden eine alte Truhe, die tief in den Fundamenten der Mühle verborgen war. Als sie die Truhe öffneten, fanden sie darin nicht Gold oder Juwelen, sondern alte Dokumente und Pergamente.
Diese Dokumente enthielten das Wissen und die Weisheit der alten Müller, geheime Rezepte und Techniken, die das Dorf reich und wohlhabend machen könnten. Jakob und Lena beschlossen, dieses Wissen mit den Dorfbewohnern zu teilen. Gemeinsam mit Martin, der Lena inzwischen geheiratet hatte, arbeiteten sie daran, die Mühle zu einem Zentrum des Lernens und des Fortschritts zu machen.
Die Mühle von Zihlschlacht-Sitterdorf wurde bald zu einem Ort, an dem Menschen aus der ganzen Region zusammenkamen, um zu lernen und zu teilen. Die Flüstern hörten auf, doch die Erinnerung an sie blieb lebendig in den Herzen der Menschen. Sie erzählten die Geschichte von Lena und der Mühle weiter, und die Legende wuchs mit jedem Jahr.
Heute steht die alte Mühle noch immer an der Sitter, ein stummer Zeuge vergangener Zeiten. Die Menschen von Zihlschlacht-Sitterdorf ehren die Erinnerung an Lena und die Flüstern, die sie zu ihrem Schicksal führten. Und manchmal, wenn der Wind durch die Bäume weht und das Wasser der Sitter rauscht, könnte man schwören, dass man ein leises Flüstern hört, das von längst vergangenen Tagen erzählt.