In der sanften Hügellandschaft von Schönholzerswilen, einem kleinen Dorf im Kanton Thurgau, stand einst eine alte Mühle. Diese Mühle war nicht nur ein Ort, an dem Getreide gemahlen wurde, sondern auch ein Ort voller Geheimnisse und Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Die Mühle selbst war aus grobem Stein gebaut, und ihr hölzernes Rad drehte sich unermüdlich im klaren Wasser des kleinen Baches, der durch das Dorf floss. Die Dorfbewohner erzählten sich, dass die Mühle von einem Müller namens Jakob betrieben wurde, einem Mann, der für seine Großzügigkeit und Weisheit bekannt war. Doch es war nicht Jakob, der die Mühle zu einem besonderen Ort machte, sondern die geheimnisvollen Stimmen, die man in der Stille der Nacht hören konnte.
Es begann an einem kalten Herbstabend, als Jakob spätabends noch in der Mühle arbeitete. Der Mond schien hell über das Dorf, und der Wind raschelte durch die Blätter der Bäume. Plötzlich hörte Jakob ein leises Flüstern, das aus der Ecke der Mühle zu kommen schien. Zuerst dachte er, es sei der Wind, der durch die Ritzen pfiff, doch das Flüstern wurde lauter und deutlicher. Neugierig legte er seine Arbeit zur Seite und lauschte aufmerksam.
„Höre uns zu, Jakob“, flüsterten die Stimmen. „Wir sind die Geister der Mühle, die Hüter des Wissens und der Geschichten dieses Ortes.“
Jakob, der an Geistergeschichten nie geglaubt hatte, war erstaunt und auch ein wenig erschrocken. Doch die Stimmen klangen freundlich und einladend, und so fragte er: „Was wollt ihr von mir?“
„Wir möchten, dass du unsere Geschichten bewahrst und sie den Menschen erzählst, damit sie nicht vergessen werden“, antworteten die Stimmen. „In dieser Mühle steckt mehr als nur Korn. Hier sind die Erinnerungen und Weisheiten derer, die vor dir kamen.“
Von diesem Tag an verbrachte Jakob viele Nächte damit, den flüsternden Stimmen zu lauschen. Sie erzählten ihm von den alten Zeiten, von den Menschen, die einst in Schönholzerswilen lebten, und von den Ereignissen, die das Dorf geprägt hatten. Jakob schrieb alles auf und teilte die Geschichten mit den Dorfbewohnern, die bald begannen, die Mühle als einen Ort der Magie und des Wissens zu betrachten.
Eines Nachts, als der Wind besonders stark wehte und die Mühle im Schein des Vollmonds stand, hörte Jakob eine neue Geschichte. Die Stimmen erzählten von einem verborgenen Schatz, der tief unter der Mühle vergraben war. Es hieß, dass dieser Schatz nur von jemandem gefunden werden könne, der reinen Herzens und bereit sei, ihn nicht für sich selbst zu beanspruchen, sondern zum Wohle des Dorfes.
Jakob, der stets das Wohl der Gemeinschaft im Sinn hatte, beschloss, nach dem Schatz zu suchen. Mit einer alten Karte, die ihm die Geister der Mühle beschrieben hatten, machte er sich auf den Weg. Er grub tief unter der Mühle, bis er schließlich auf eine alte Truhe stieß. Als er sie öffnete, fand er darin nicht Gold oder Juwelen, sondern alte Bücher und Schriften, die das Wissen und die Geschichte des Dorfes enthielten.
Mit großer Freude brachte Jakob die Schriften ans Licht und teilte sie mit den Dorfbewohnern. Diese waren erstaunt über die Fülle an Wissen, die sie enthielten, und begannen, sie zu studieren und die Lehren daraus in ihrem täglichen Leben anzuwenden.
Die Mühle von Schönholzerswilen wurde so zu einem Symbol des Wissens und der Gemeinschaft. Die Dorfbewohner kamen oft zusammen, um den Geschichten der Mühle zu lauschen und die alten Schriften zu studieren. Und obwohl Jakob längst gegangen war, lebte sein Geist weiter in den Geschichten, die er bewahrt hatte.
Die flüsternden Stimmen verstummten nie ganz. Noch heute, so erzählen sich die Menschen in Schönholzerswilen, kann man in stillen Nächten das leise Murmeln der Geister hören, die weiterhin ihre alten Geschichten erzählen und darauf warten, dass jemand mit reinem Herzen ihre Weisheiten entdeckt.