Es war vor vielen, vielen Jahren, als das Dorf noch von dichten Wäldern umgeben war und die Nächte dunkler und geheimnisvoller schienen als heute. Die Menschen in Schongau lebten einfach, doch zufrieden, und der Rhythmus ihres Lebens wurde von den Jahreszeiten und der Arbeit auf den Feldern bestimmt. Doch in den langen Winternächten, wenn der Wind um die Häuser heulte und die Dunkelheit alles zu verschlingen schien, erzählte man sich von seltsamen Lichtern, die über den Feldern und durch die Wälder tanzten.
Es hieß, die Lichter seien die Geister verstorbener Seelen, die keine Ruhe fanden. Andere glaubten, es seien die Irrlichter, die unvorsichtige Wanderer in die Irre führten und sie in die sumpfigen Gebiete lockten, aus denen es kein Entkommen gab. Doch die ältesten Geschichten erzählten von einer anderen Wahrheit, einer, die tief mit der Geschichte des Dorfes verwoben war.
Vor langer Zeit, als das Dorf noch jung war, lebte in Schongau eine weise Frau namens Elara. Sie war bekannt für ihr Wissen über Kräuter und Heilmittel und wurde von den Dorfbewohnern als Heilerin und Ratgeberin geschätzt. Doch Elara hütete ein Geheimnis, das nur wenige kannten: Sie war die letzte in einer langen Linie von Hüterinnen eines verborgenen Lichts, das tief im Wald verborgen war.
Dieses Licht, so sagte man, war ein Geschenk der Sterne, ein Funken des Himmels, der einst in einer stürmischen Nacht vom Himmel gefallen war. Es war ein Licht von solcher Reinheit und Kraft, dass es in der Lage war, Dunkelheit und Kummer zu vertreiben. Doch es durfte nur von jenen gesehen werden, die reinen Herzens waren und die Absicht hatten, Gutes zu tun.
Elara wusste um die Macht des Lichts und hütete es mit ihrem Leben. Doch eines Winters, als die Kälte besonders hart war und die Vorräte knapp wurden, kam ein Fremder ins Dorf. Er war ein reisender Händler, der auf der Suche nach einem Ort war, um die kalten Monate zu überstehen. Die Dorfbewohner nahmen ihn freundlich auf, doch Elara spürte, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Seine Augen waren kalt und berechnend, und sie bemerkte, dass er immer wieder Fragen über die Geheimnisse des Dorfes stellte.
Eines Nachts, als der Schnee leise auf die Dächer fiel und die Welt in Stille gehüllt war, schlich sich der Fremde in den Wald. Er hatte von den Lichtern gehört und wollte ihre Macht für sich gewinnen. Doch als er das Licht fand und es berührte, geschah etwas Unerwartetes. Das Licht erstrahlte in einer solchen Intensität, dass es den ganzen Wald erhellte. Der Fremde, geblendet von der plötzlichen Helligkeit, stolperte zurück und verlor sich in den Tiefen des Waldes. Er wurde nie wieder gesehen.
Am nächsten Morgen fanden die Dorfbewohner Elara am Rande des Waldes. Sie war schwach, aber ein Lächeln spielte auf ihren Lippen. Sie wusste, dass das Licht nun sicher war und dass es weiterhin über das Dorf wachen würde. Seit jenem Tag, so sagt man, erscheinen die flüsternden Lichter von Schongau in den dunkelsten Nächten, um die Bewohner zu schützen und ihnen Hoffnung zu schenken.
Die Menschen in Schongau erzählen sich diese Geschichte bis heute. Sie wissen, dass das Licht immer da ist, auch wenn es nicht immer sichtbar ist. Es ist ein Symbol für die Hoffnung und den Glauben an das Gute, das selbst in den dunkelsten Zeiten nie erlischt. Und so leben die Dorfbewohner in der Gewissheit, dass die flüsternden Lichter von Schongau über sie wachen, ein ewiges Erbe von Elara und den Hüterinnen des Lichts.